Montag, 17. August 2015

Lysistrata, Die Wolken

Direkt im ersten Monat beschäftigen wir uns mit der attischen Komödie. Zwei Dramen liegen heute bereit zur Rezension, Lysistrata und Die Wolken.


We women have the salvation of Greece in our hands.

Lysistrata ist eines von drei Dramen, die der Autor zum Thema Frieden im Peloponnesischen Krieg zwischen Athen und Sparta geschrieben hat. So wie in Die Acharner ein einzelner Mann die gesamte politische Landschaft über den Haufen wirft, sind es hier die Frauen von Athen und Sparta selbst, die ihre Männer zum Frieden zwingen. Wie gelingt ihnen das? Indem sie einen gigantischen Sexboykott durchsetzen. Ganz ehrlich, das hatte ich im ersten Monat dieses Projekts nicht erwartet.

Moderne Interpretationen legen großen Wert auf die feministischen Aspekte des Dramas. Dies scheint mir etwas ironisch, betrachtet man nämlich das Werk für sich - und im kulturellen Kontext - wird schnell klar, dass sich das nicht halten lassen kann. Sucht man eine Komödie, das die typisch weibliche Rolle darstellt, sollte man hier fündig werden. Die Männer können nicht vom Krieg ablassen und sind in einem scheinbar unendlichen Konflikt gefangen. Die Frauen hingegen "zähmen" sie, machen Zivilisation möglich.

Weiterhin sollte man immer Hinterkopf behalten, wenn man schon die feministische Schiene fährt, dass Frauen in diesem Drama als Nymphomaninnen dargestellt werden, was natürlich schnell über den griechischen Hintergrund erklärt wird. Amüsanterweise gibt es einen interessanten Widerspruch in der Handlung. Die Besetzung der Akropolis entsteht dadurch, dass die Frauen Athens zusammen darüber sinnieren, wie lang ihre Ehemänner schon von zu Hause weg sind. Hier wird von monatelanger Abwesenheit gesprochen; es gäbe nicht einmal genug Männer, um ihre Gatten zu betrügen. Wenn das aber der Fall ist, wer wird dann mit dem Boykott erpresst? Wird damit nicht auch die Behauptung ad absurdum geführt, Frauen könnten ohne Sex nicht leben? Offensichtlich soll man das im Namen der Unterhaltung einfach hinnehmen, trotzdem empfand ich das als amüsant.


Die Wolken hingegen geht in eine völlig andere Richtung und stellt sich als klassische Satire dar. Strepsiades hat einen Haufen Schulden, die er nicht bezahlen will, also geht er zu Sokrates, damit dieser ihm beibringt, wie man auf eine Weise argumentiert, die es mir erlaubt, jeden beliebigen Sachverhalt zur Realität zu erheben. Wer Sokrates als Vater der gesamten westlichen Philosophie kennt, wird sich ein wenig fragen, was Aristophanes hier eigentlich macht. Problematisch wird die Sache durch den Umstand, dass uns direkte Quellen von Sokrates fehlen.

Der große Philosoph hat selbst nichts niedergeschrieben, alles wurde von Platon, einem seiner Schüler, notiert und an die Nachwelt weitergegeben. In diesem Transfer ist es unklar, was wirklich die Meinung des Sokrates, der in Platons Dialogen die Hauptrolle einnimmt, und was des Platons ist. Das werden wir aber sicher noch im Verlaufe dieses Projekts besprechen können. Die Frage, die wir für Die Wolken aber stellen müssen, ist, ob Sokrates direkt persifliert wird oder ob es allgemeiner um die Sophisten geht, die der Grieche symbolisieren soll.

Fraglos wird hier die sophistische Philosophie aufs Korn genommen. Beinahe wie Engelchen und Teufelchen tauchen hier das Richtige und das Falsche Argument auf. Letzteres rechtfertigt jede Form von Fehlbetragen ohne Verantwortung. Durch die Gegenüberstellung mit der richtigen - also dem traditionellen - Argument soll klar gemacht werden, dass die Sophisten die zivile Ordnung zerstören wollen. Schon damals musste man also mit einer rebellierenden Jugend zu Recht kommen.

Trotz allem bleibt die Frage, ob es gerechtfertigt ist, Sokrates satirisch auf diese Weise zu verarbeiten. Wenn die platonischen Dialoge auch nur den geringsten Anhaltspunkt bieten, müsste man das verneinen. Die Wahrnehmung des Sokrates könnte ihn als Sophisten dastehen lassen, wer sich aber auf ihn einlässt, kann das nur verneinen. Aber vielleicht ging es gar nicht darum, ihn korrekt darzustellen. Eventuell gefiel es Aristophanes nicht, dass so viele unkritisch dem Sokrates folgten, wodurch ihm die Idee kam, diesen etwas zu kritisieren. Das ist eine Stärke der westlichen Tradition: Kritik.

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